Bühnenbild

Ein Bühnenbild sollte so einfach wie möglich gehalten werden. Es darf die Fantasie des Zuschauers nicht beschränken und soll das Geschehen in den Mittelpunkt stellen. Es soll die Aussage des Stücks verstärken. Es soll die Atmosphäre des Schauplatzes unterstreichen. Es soll den Raum gliedern. Es muss bespielbar sein. Es muss Auf- und Abgänge ermöglichen. Mehr nicht.

Die beiden Extreme

  • Das bis ins letzte Detail ausgearbeitete Bühnenbild, wie wir es von Volksstücken her kennen
  • Der absolut leere Raum

In Laienaufführungen von sogenannten Volksstücken wird oft mit Kulissen, Hintergrundprospekten und Ausstattungen vom Brunnen mit echt laufendem Wasser, über Öfen mit echtem Feuer, bis zu lebenden Tieren mit grossem Aufwand die Handlung zugunsten des Bühnenbildes in den Hintergrund gedrängt. Der Zuschauer ist dauernd beschäftigt mit dem Betrachten der überladenen Szenerie. Dies muss nicht unbedingt ein Nachteil sein, treten so doch die schauspielerischen Unzulänglichkeiten der Darsteller weniger zu Tage.

Ganz anders das andere Extrem. Der Zuschauer wird durch nichts abgelenkt, die Darsteller sind dauernd im Focus des Zuschauers. Hier ist absolute Bühnenpräsenz gefordert. Eine Anforderung, welcher nur wenige Laiendarsteller gewachsen sind.

Im Globe Theater in London war die Verwendung von Kulissen nicht möglich. Hier spielte William Shakespeare seine Stücke, trotz der vielen Schauplätze, stehts in der gleichen neutralen Szenerie, also sozusagen in einem leeren Raum. Damit sich die Zuschauer über den Schauplatz und das Geschehen im klaren waren, wurden Bretter mit den Schauplätzen beschriftet ("Eine Strasse in Venedig", "die Hauptstadt von Cypern" usw) und auf die Bühne gestellt. Daher stammt wohl auch die meist falsch gedeutete Redewendung "Bretter die die Welt bedeuten".

Mut zur Reduktion des Bühnenbildes

Ich empfehle, am Anfang einer Inszenierung immer vom leeren Raum auszugehen. Dann wird sukzessive nur das absolut

notwendige hinzugefügt um:
  • den Schauplatz zu definieren
  • dessen Atmosphäre zu unterstreichen
  • den Raum zu gliedern
  • den Raum spielbar zu machen
  • Auf- und Abgänge zu ermöglichen 
  • die Aussage des Stücks visuell zu unterstützen
In der Chamer Inszenierung von Harry Sturzeneggers "De Chnuppesager" einer Bearbeitung von Moliers "Der Geizige" ist das Bühnenbild ein absolut leerer Raum. Es wurde lediglich ein Auf- und Abgang nach/von draussen und einer nach/von drinnen festgelegt. Bei der Inszenierung dieser Bearbeitung ist dies möglich, da der Zuschauer sich immer über den Schauplatz und dem Geschehen im klaren ist und keiner Hinweise aus der Szenerie bedarf. Der leere Raum unterstreicht zudem den Geiz des Harpagon und die daraus resultierende Vereinsamung und unterstützt dadurch visuell die beabsichtigte Wirkung der Inszenierung.

Die begeisterten Reaktionen der Zuschauer und der Presse zeigten, dass eine Inszenierung in einem leeren Raum funktioniert. Sie zeigen auch, dass die menschliche Fantasie in der Lage ist, aufgrund von ein paar wenigen Hinweisen einen kompletten Schauplatz im Kopf entstehen zu lassen. Ich wage auch zu behaupten, dass keine zwei Zuschauer den gleichen Schauplatz erlebt haben. Vergleichen lässt sich dieses Phänomen mit einem guten Buch. Hier ist die Fantasie des Lesers jedoch noch stärker gefordert. Neben den Schauplätzen produziert die Fantasie des Lesers auch Bilder von den Romanfiguren. Auch hier ist es so, keine zwei Leser haben die gleichen Bilder im Kopf. Wenn nun die Leser eines Romans dessen Verfilmung ansehen, sind die meisten enttäuscht. Enttäuscht deshalb, weil sie nun die Bilder sehen, die der Fantasie des Filmregisseurs entsprungen sind und nicht mehr die, während der Lekture enstandenen, eigenen Bilder.

Daraus wage ich abzuleiten, je mehr ich dem Zuschauer als gegeben vorsetze, desto stärker schränke ich seine Fantasie ein und desto kleiner ist sein Genuss an der Aufführung.

Das Zwiebelschalenprinzip

Unter Zwiebelschalenprinzip versteht man gemäss Wikipedia eine Zusammenstellung der Kleidung, bei der mehrere

Kleiderschichten von unterschiedlicher Dicke und Material übereinander angezogen werden.

Dieses Prinzip kann auch beim Bühnenbild angewandt werden. Es gibt so viele wunderbare Stücke mit mehr als einem Schauplatz. Es wäre sehr schade, auf diese Stücke zu verzichten. Der Schwank der Schwänke "Pension Schöller" von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby ist ein klassisches Beispiel für einen 3-Akter mit drei verschiedenen Bühnenbildern. Die herrlich turbulente Komödie "En fatale Liebesbrief" von Harry Sturzenegger ist ein 3-Akter mit zwei verschiedenen Schauplätzen. Da der Schauplatz im 1. und 3. Akt derselbe ist, würde dies, wie bei der "Pension Schöller" auch, einen zweimaligen Umbau bedeuten. Anhand dieser zwei Beispiele soll gezeigt werden, wie diese Stücke mit nur einer Grundkulisse ohne Umbau inszeniert werden können. Auch hier sollte der Grundsatz "weniger ist mehr", wie unter Bühnenbild erläutert, angewendet werden.

Beispiel Pension Schöller


Der erste Akt spielt in einer Gartenwirtschaft, der zweite Akt in der Pension Schöller und der dritte Akt bei Klapproth zuhause. Von Beginn weg steht das Bühnenbild des dritten Aktes.

1. Akt
Für den ersten Akt stehen ganz vorne 3 runde Blechtische mit je drei Stühlen auf der Bühne. Diese sind nacht hinten abgegrenzt mit leichten weissen Stellwänden (Paravents) oder Vorhang. In der Mitte ist ein freier Durchgang für die Auf- und Abgänge. Es ist darauf zu achten, dass nur der Bühnenbereich vor diesen Stellwänden beleuchtet wird. Bei genügend grosser Vorbühne, kann dieser Akt auch vor dem Bühnenvorhang gespielt werden. Bei Aktende werden die Tische und Stühle weggeräumt und die Paravents entfernt. Schon steht das Bühnenbild für den zweiten Akt.

2. Akt
Für den zweiten Akt werden die Kulissen des dritten Aktes verwendet. Diese werden mit Vorhängen, Bildern und einzelnen Versatzstücken und entsprechender Möblierung zur plüschigen Pension Schöller verwandelt. Nur im dritten Akt benötigte Türen werden mit Vorhängen zu Fenstern, oder werden ganz abgedeckt (mit Vorhängen, einem Schrank etc). Bei Aktende werden diese Versatzstücke und das Mobiliar gegen solche für den dritten Akt augetauscht.

3. Akt
Die Kulissen stehen, wie eingangs erwähnt, bereits von Anfang an auf der Bühne. Durch Entfernen der Vorhänge, der Versatzstücke und dem Austausch der Möblierung und der Bilder aus dem zweiten Akt entsteht Klapproths Zuhause.


Beispiel "En fatale Liebesbrief"


In der turbulenten Komödie "En fatale Liebesbrief" von Harry Sturzenegger kommen zwei verschiedene Schauplätze vor. Im ersten und dritten Akt der Salon von Generaldirektor Inderbitzin, im zweiten Akt das zweifelhafte Hotel Aphrodite. Auch dieses Stück lässt sich mit nur einer Grundkulisse inszenieren. Zu Beginn des Stücks stehen bereits die Kulissen des zweiten Aktes mit komplett eingerichtetem Séparé.
1. Akt
Das Grundbühnenbild wird durch eine mobile Wand, die das Separé abdeckt, Bildern und Möbeln zum Salon von Inderbitzin.

2. Akt
Die seriösen Bilder und Möbel werden durch erotischere (z.B. rundes Plüschsofa) ausgetauscht. Die mobile Wand, die das sündige Separé abdeckt, wird entfernt. Dazu kommen verschiedene Versatzstücke, die dem Schauplatz die notwendige erotisch verruchte Atmosphäre verleihen. Durch eine entsprechende Beleuchtung wird die schummrig erotische Wirkung noch verstärkt.

3. Akt
Für den dritten Akt werden alle Bilder, Möbel und Versatzstücke wieder ausgetauscht, die mobile Wand wieder installiert, die Lichtstimmung des ersten Aktes aufgefahren und schon haben wir wieder den Salon von Inderbitzin.

Zusammenfassung

Dies sind nur zwei von vielen Möglichkeiten. Mit etwas Fantasie eröffnen sich uns noch ungeahnte weitere Mittel und Wege, das Problem mit mehreren Schauplätzen elegant zu lösen. Wenn wir uns nicht mehr durch mehrere Schauplätze abschrecken lassen, steht uns plötzlich eine ungeahnte Auswahl an herrlichen Stücken zur Verfügung.

Kulissenwände mit dem gewissen Dreh

Diese Seite will kein Bauplan für das Konstruieren von Bühnenbildern sein. Es fehlen deshalb auch jegliche Massangaben. Es geht hier vielmehr darum, ein paar Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man bei mehreren Schauplätzen Umbauten vermeiden kann.
Kantholz aus Fichten oder Kiefern und Pappelsperrholz ist das Material schlechthin um Kulissenwände herzustellen. Es lässt sich einfach bearbeiten, ist leicht und was für Amateurbühnen besonders wichtig ist, billig. Das Vorgehen ist einfach. Zuerst wird aus Kantholz ein Rahmen in der gewünschten Grösse mit Leim, Schrauben und 90° Winkeln aus gelochtem Stahlblech zusammengebaut. Wenn das Budget die Anschaffung entsprechender Maschinen erlaubt, empfielt sich für die Verbindung der Rahmenteile das Lamellosystem. Dieser Rahmen wird anschliessend mit 3mm Pappelsperrholzplatten beplankt. Dazu verwenden wir Weissleim und/oder Tackerklammern. Schrauben sind nicht ideal, weil die Schraubenköpfe sichtbar sind und vor dem Streichen mühsam abgedeckt werden müssen. Nachdem der Leim abgetrocknet ist, kann das Kulissenelement bemalt werden. Damit es sich nicht zu stark verzieht, empfielt es sich, auch die Innenseite zu streichen.

Kulissen Vorsatz

Mit Kulissenvorsätzen kann mit wenig Aufwand, ohne Umbau und sehr schnell ein Schauplatzwechsel realisiert werden. Erst wird ein Rahmen, wie vorgängig beschrieben, hergestellt (im Bild gelb). Anschliessend wird unten eine Profilleiste aus Holz, Kunstoff oder Alu zur Aufnahme des Kulissenvorsatzes montiert (im Bild rechts blau). Oben wird eine Stiftschraube in den Holzrahmen geschraubt. Der Vorsatz selber ist eine bemalte Sperrholzplatte, wie wir sie für die Beplankung verwendet haben. Oben an der Vorsatzplatte befestigen wir Metallwinkel mit Loch, oder Bilderhaken (im Bild lins blau). Anstelle von Winkel oder Haken, kann man oben am Kulissenelement und an der Vorsatzplatte Klettpunkte anbringen. Um nun den Schauplatz zu verändern, wird der Kulissenvorsatz unten in die Profilleiste und oben in den Stift eingeführt bzw. mit den Klettpunkten fixiert.

Drehbare Kulissenwände

Mit den drehbaren Kulissenwänden kann der Schauplatz in sekundenschnelle verändert werden. Basis sind wieder Kulissenwände, wie oben beschrieben. Nur werden beide Seiten des Rahmens beplankt und bemalt. In die Rahmen werden unten und oben zentral je ein Achsbolzen eingeschraubt oder eingepresst. Diese Bolzen lagern oben und unten im alles umgebenden Rahmen. Eine Kombination von drehbaren Kulissenwänden mit Kulissenvorsätzen erlaubt eine unendliche Anzahl von verschiedenen Bühnenbildern.
Solche drehbaren Kulissenwände wurden unter anderem beim "Wiener Sommernachtstraum" im Lustspielhaus Wien eingesetzt. Hier sind zwei Bühnenbilder, die mehrmals wechseln. Durch Drehen der Kulissenwände wird aus der Amtsstube der Zauberwald und umgekehrt.

Periakten

Bereits im antiken Griechenland wurden Periakten für einen schnellen Szeneriewechsel eingesetzt. Periakten sind aufrecht stehende dreieckige Prismen. Jede der drei Seiten ist mit einer anderen Dekoration bemalt. Durch eine Achse, meist in der Bühne eingelassene Zapfen, konnten die Periakten gedreht werden. Mehrere Periakten nebeneinander gestellt wirken wie ein einziges homogenes Bühnenbild. Durch Drehen der einzelnen Periakte erfolgt, ohne Umbau, ein schneller unkomplizierter Wechsel des Bühnenbildes.

In der Telari-Bühne der frühen Renaissance wurde die Idee wieder aufgegriffen. Die Telari-Bühne bestand aus einem Prospekt im Hintergrund und bemalten Periakten auf beiden Bühnenseiten. Zwischen den einzelnen Periakten bestand ein Abstand für die Auf- und Abgänge der Akteure.

Heute erleben die Periakten bei den Raimundspielen 2006 in Gutenberg eine Renaissance. Bei Ferdinand Raimunds Zauberspiel „Die gefesselte Phantasie“ werden Periakten in Kombination mit Projektionen eingesetzt.

Diese dreieckigen Kulissenelemente erlauben auch Amateurbühnen das unkomplizierte Inszenieren von Theaterstücken mit mehreren Bühnenbildern.